Epilepsiechirurgie und Neuropsychologie
In bestimmten Fällen sind operative Eingriffe das Mittel der Wahl zur Behandlung von Epilepsien. Je nach Anfallslokalisation und Operationsmethode werden dabei mitunter auch funktionell wichtige Areale im Gehirn entfernt (z.B. Hippocampusentfernung bei der selektiven Amygdalohippocampektomie). Um schwerwiegende funktionelle Schäden zu vermeiden und um die Patient:innen vorab bestmöglich zu beraten ist es wichtig, mögliche Operationsfolgen schon vorher abschätzen zu können. Deshalb wurden verschiedene Methoden entwickelt, um beispielsweise eine Gedächtnisstörung nach Entfernung eines Hippoocampus (in der dominanten oder nicht-dominanten Hemisphäre) abzuschätzen. Zu dieser Problematik möchten wir für Sie folgenden aktuellen Artikel aus der Zeitschrift „Neurology“ kurz vorstellen.
Characterization and Prediction of Short-Term Outcomes in Memory Following Temporal Lobe Resection in Children With Epilepsy; Neurology, März 2023
Ziele: Ziel der Arbeit war die (1) Charakterisierung der kurzfristigen Ergebnisse im episodischen Gedächtnis, wie sie mit der Children's Memory Scale (CMS) bei Kindern mit Epilepsie nach Temporallappenresektion bei Kindern mit Epilepsie unter Verwendung empirischer Methoden zur Beurteilung kognitiver Veränderungen bewertet werden und (2) die Entwicklung und interne Validierung klinisch anwendbarer Modelle zur Vorhersage des postoperativen Gedächtnisrückgangs;
Methode: Diese retrospektive Kohortenstudie umfasste Kinder im Alter von 6-16 Jahren, die sich einer resektiven Epilepsieoperation unterzogen hatten, die den Temporallappen umfasste (temporal-only: "temporal" und multilobar: "temporal-plus") und die prä- und postoperative neuropsychologische Untersuchungen einschließlich des CMS durchführten. Die Veränderungswerte bei CMS-Untertests mit verzögertem Gedächtnis (Gesichter, Geschichten und Wortpaare) wurden unter Verwendung von epilepsie-spezifischen RCIs (reliable change indices) und SRBs (standardized regression-based change scores) als Abnahme, keine Veränderung oder Verbesserung klassifiziert. Logistische Regressionsmodelle zur Vorhersage des postoperativen Gedächtnisrückgangs wurden entwickelt und intern mit Bootstrapping validiert.
Ergebnisse: Von den 126 in die Studie eingeschlossenen Kindern zeigten die meisten entweder keine signifikante RCI-Veränderung (54-69%) oder eine Verbesserung (8-14%) der Gedächtnisleistung bei einzelnen Messungen, im Median von 7 Monaten nach der Operation. Eine Untergruppe von Kindern (23-33%) zeigte postoperative Rückgänge. Die mit RCIs und SRBs ermittelten Änderungsverteilungen unterschieden sich statistisch nicht signifikant voneinander. Präoperatives Gedächtnistestergebnis, Operationsseite, Operationsumfang und präoperativer IQ waren Prädiktoren für den Gedächtnisrückgang. Die Vorhersagemodelle für den Gedächtnisrückgang enthielten Teilmengen dieser Variablen mit verzerrungskorrigierten Konkordanzstatistiken (c) im Bereich von 0,70 bis 0,75. Die Modelle waren gut kalibriert, obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Rückgangs des verbalen Gedächtnisses bei Hochrisikopatienten leicht überschätzt wurde.
Diskussion: Diese Studie verwendete empirische Methoden zur Charakterisierung des Gedächtnisergebnisses bei Kindern nach Temporallappenresektion. Bereitgestellte Online-Rechner und Diagramme können von Ärzten verwendet werden, um das Risiko eines postoperativen Gedächtnisverlusts für einzelne Patienten vor der Operation abzuschätzen.
n.neurology.org/content/early/2023/03/15/WNL.0000000000207143
Navkiranjot Kaur, Amy S. Nowacki, Deepak K. Lachhwani, Madison M Berl, Marla J. Hamberger, Patricia Klaas, William Bingaman, View ORCID ProfileRobyn M Busch
First published March 16, 2023, DOI: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000207143
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Im Oktober kommt Herr Prof. Dr. Christoph Helmstaedter von der Universitätsklinik für Epileptologie der Uniklinik Bonn für das Präsenzseminar Epilepsie und Neuropsychologie nach Wien.